Eigentlich bin ich frei von Phobien. Dachte ich zumindest bis vor wenigen Stunden. Jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher …
Dafür aber weiß ich jetzt ganz genau, dass ich meiner Positiv-Liste zum Home-Office einen wichtigen Punkt hinzufügen kann. (Liebe Gudrun – die du die Idee hattest, ein Buch mit dem genialen Titel: Kollege Ich zu schreiben, und die mindestens ebenso geniale Idee, zu diesem Thema ein Blog gleichen Namens ins Leben zu rufen – falls du das hier liest: Ein wunderbares Argument pro Home-Office ist: Ich muss nicht jeden Tag mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren.)
Aber der Reihe nach: Da ich mich grade in einer sehr angenehmen Work-Life-Balance-Phase befinde, was bei einem selbständig arbeitendem Menschen keineswegs selbstverständlich ist, wie ich schon mal ausführlich hier erläutert habe, und dringend ein paar Besorgungen machen musste, fuhr ich mitten in der Woche in die Stadt. Als vernünftiger Mensch benutzt man dazu in München nicht das Auto, sondern die U- und S-Bahn. Normalerweise habe ich damit null Probleme. Ich habe weder Platzangst noch irgendein Michael-Jackson-Syndrom. Und ich schwöre, ich habe keine Panik wegen der grassierenden, mutierenden, lamentierenden, galoppierenden und enervierenden Schweinegrippe und habe bisher auch noch nicht eine Sekunde darüber nachgedacht, mich dagegen impfen zu lassen. Und dennoch:
Heute überkamen mich zum ersten Mal in der vollbesetzten U-Bahn leichte Beklemmungen. Als der junge Mann neben mir hustete, zog ich instinktiv den Kopf zwischen die Schultern und rückte etwas ab. Argwöhnisch beobachtete ich die Mutter mit ihrem ca. 8-jährigen Sohn, die mir gegenübersaß und der immer wieder die Augen zufielen. Warum war die nur so müde? Und warum war das Kind, das sehr ernst und traurig guckte, eigentlich nicht in der Schule? Gottseidank war die Frau, die soeben heftig nieste, mindestens fünf Meter von mir entfernt. Als ich aufstand, überlegte ich, wo ich mich eigentlich festhalten sollte. Hatten nicht vor mir genau an dieser Stelle des Griffs bereits Dutzende, wenn nicht Hunderte Menschen ihre Viren hinterlassen? Ein jähes Wagenruckeln beendete meine Überlegungen und ließ mich instinktiv zulangen, nicht ohne dass ich vorher einem älteren Herrn mit Hut und Schal (Schal bei 15 Grad Celsius?) viel zu nahe gekommen war.
Gott, war ich froh, als ich dem ÖPNV wieder entronnen war. Und spontan auf dem Bahnsteig der Gedanke: Nee, das jeden Tag so wie früher, als ich noch ins Büro fuhr, das wär ja furchtbar!
Gehört das jetzt zu den Erscheinungen des Alters? Oder hat mich nur der Virus der Schweinegrippenpanik befallen? Ersteres will ich nicht hoffen, zweiteres fände ich auch nicht erstrebenswert. Wollen wir mal das Positive sehen: Ich weiß wieder einmal mehr, warum ich so gern als Kollege Ich arbeite, :-).
(Foto: Ernst Rose, pixelio.de)